Pankow erforscht die Vorlieben seiner Sportler
Mütter, die hinter ihren Kinderwagen herlaufen, Studenten, die an Klettergerüsten Klimmzüge vollführen, Fußballmannschaften unter Flutlichtmasten, Rentner auf dem Tennisrasen – der Sport in Pankow hat viele Facetten. So weit, so offensichtlich. Aber was Menschen dazu bringt, sich in Bewegung zu setzen und was sie sich für die Zukunft der körperlichen Ertüchtigung wünschen, das hat noch niemand wissenschaftlich erforscht. Bis jetzt.
Sportstadtrat Torsten Kühne (CDU) hat 9000 Briefe signiert, die in den nächsten Tagen überall in den Kiezen zwischen Buch und dem Bötzow-Viertel in den Briefkästen landen werden. Es sind 9000 zufällig ausgewählte Adressaten unterschiedlichen Alters, die auf vier Seiten Kreuze setzen dürfen.
Warum sind Bürger sportlich aktiv? Wie lange dauern ihre Übungseinheiten? Welche Sportangebote werden vermisst? Kühne will als erster Stadtrat in Berlin wissen: „Wie tickt unser Bezirk beim Sport tatsächlich?“ Wer den Fragenkatalog durcharbeitet und kostenlos zurückschickt, hat eine Chance, die Zukunft nach seinen Vorstellungen mitzuprägen. Schon jetzt ist klar: Klassischer Freizeitsport im Verein ist nur noch eine Spielart unter vielen. Das Fitnessstudio, die Kraftsportanlage im Stadtpark – dort ist längst zu beobachten, was Professor Michael Barsuhn als „unorganisierten Sport“ bezeichnet. Vor allem Jüngere trimmen sich gerne, wann und wo es ihnen beliebt.
Barsuhn forscht am Institut für kommunale Sportentwicklungsplanung an der Fachhochschule für Sport und Management Potsdam und will mit seinem Team dafür für ein lebensechtes Abbild der Sportlandschaft in Pankow sorgen. Die Wünsche eines Rentners aus Wilhelmsruh sollen dabei nicht weniger gelten als die eines Kindes aus Prenzlauer Berg. Mit Hilfe von Algorithmen berechnen die Forscher aus allen 9000 Fragebögen und den Befragungen an Schulen, Kindergärten und den Pankower Vereinen die Fakten.
„Die letzte Analyse des Zustands der Sportanlagen stammen aus den 90er-Jahren. Manche der Plätze von damals sind inzwischen zugewuchert und keinem Sportler mehr zuzumuten“, gibt der Professor ein Beispiel für die Wichtigkeit einer modernen Analyse. Er meint: „Im Digitalzeitalter brauchen wir jetzt eine neue Datenbasis.“
Dass Pankow dieses Pilotprojekt starten konnte, liegt an einer Entscheidung der Bezirksverordneten. Sie ließen im aktuellen Haushalt 80.000 Euro reservieren, um das in Berlin einmalige Vorhaben anzuschieben. Zustimmung dafür gibt es vom Bezirkssportbund. Gerade in Zeiten, da viel Geld für den Neubau von Sporthallen ausgegeben wird, hält es der Vorsitzende Carsten Maaß für wichtig, den Bedarf richtig einzuschätzen. „Es gibt in Pankow nur noch wenig Platz. Und wir müssen ihn richtig nutzen.“
Wenn Ende 2020 die Ergebnisse der Befragung vorliegen, fängt die sportliche Herausforderung für den Bezirk erst richtig an. Ziel ist die Ausarbeitung eines Sportentwicklungsplans, der möglichst viel von den Wünschen der so verschiedenen Menschen in Pankow erfüllen soll.
Und vielleicht trimmen sich schon im nächsten Jahrzehnt die Mütter mit ihren Kinderwagen, die Studenten an ihren Klettergerüsten, die Senioren mit Tennisschlägern und die Fußballer an einem maßgeschneiderten Ort.
Berliner Morgenpost vom 21.09.2018, Thomas Schubert